8
Apr

Willkommen in der Komfortzone

Was ist falsch an der Komfortzone?
Warum gibt es so viele Leute, die denken, sie müssten uns dort rausscheuchen?
Und wenn wir draußen sind, wo sind wir dann?

 

Auf meiner Mission “Kampf den Phrasen” bin ich meiner Lieblings-Gedankenlosigkeit begegnet: “Du nimmst in Kauf, Deine Komfortzone zu verlassen und einigen Deiner Ängste zu begegnen, um Deine tiefsten Sehnsüchte zu verwirklichen” steht da. Was, verdammt, ist falsch an einer „Komfortzone“?

Da haben wir sie wieder, die größenwahnsinnige Idee, alles (o.k. das allermeiste) stünde in unserer Macht. Die Idee, ich müsse an mir “arbeiten”, mich irgendwie “verbessern”, meine Macken (wer bestimmt, was das ist? Mutti? Papi? das Osterhasi?) „transformieren“, mich auf dem Weg vom Tier zum Gott gefälligst mehr anstrengen. Wenn ich aus der Komfortzone raus soll (warum eigentlich?), dann unterstellt der Schreiber ja, dass ich in einer drin bin. Es gelingt mir sehr selten in meiner Komfortzone zu sein.

 

Sind wir faule Säcke…

 

Die Idee, dass Blut, Schweiß und Tränen besser sind als die “Komfortzone”, und der moralische Imperativ, dass, falls mich ein glücklicher Zufall in eine solche verschlägt, ich mich gefälligst zeitnah da wieder rausscheren soll, kann nur einen christlichen Hintergrund haben…. Irgendwie sind wir wohl von Natur aus böse und faul, und das muss sofort aufhören! Denn im Subtext (oder durch die Blume) sagen die Komfortzonen-Verächter und -Diskriminierer damit ja, dass alle, die da nicht raus wollen, quasi faule Säcke seien, die, ohne fürs Eintrittsbilet geblutet zu haben, als blinde Passagiere in einer couchartigen Landschaft rumgammeln, so wie die beiden fetten Burschen auf Brueghels Bild “Schlaraffenland”.

Ich finde diesen Ansatz von der Denke her sehr antiquiert. Denn zeitgenössische Gehirnforschung weist nach, dass wir uns nur dann verändern, öffnen, anpassen, “optimieren” können, wenn wir uns wohlfühlen und einigermassen entspannt sind. Druck und Anspruch sind kontraproduktiv. Als Oldies können wir aus Erfahrung reden und müssen das nicht mehr nur behaupten oder nachplappern. Ich kann mich nur vom Zustand der „Komfortzone“ aus öffnen für Neues, Anderes und Herausforderndes. Alles andere ist Hurz.

 

…oder kümmern wir uns vielmehr um unsere Ressourcen?

 

Ständiges “durch den Reifen springen müssen” dagegen, wie es die Komfortzonen-Verächter verlangen, geht ja davon aus, das mit uns, so wie wir sind, was nicht in Ordnung ist. Wer sind sie, das zu behaupten und wen meinen sie? Anscheinend eine Klientel von Menschen, die eh schon verunsichert sind, sich selbst nicht mögen oder denen selbstbewusstseinsmäßig übel mitgespielt wurde. Und die sollen dann denken: Wenn ich mich mächtig anstrenge (= Geld ausgebe), dann, ja dann, und auch nur dann hört mein Missbehagen auf.

Wir leben in anstrengenden Zeiten. Herausforderungen kommen von selbst, und nicht zu knapp. Die brauch’ ich mir nicht in einem Psycho-Workshop dazu zu kaufen. “Einigen Deiner Ängste zu begegnen, um Deine tiefsten Sehnsüchte zu verwirklichen”? Ich begegne meinen Ängsten täglich, und an der Verwirklichung meiner tiefsten Sehnsüchte bastle ich auch ausdauernd. Jeder Mensch tut das, sowieso, das heißt, Mensch zu sein – und nicht Hund, Katz oder Maus.
Die Existenz liefert uns unsere Herausforderungen täglich frei Haus. Bewältigen aber kann ich die nur von einer stabilen „Komfortzone“ aus.

Meine „Komfortzone“ ist meine Lieblingsressource.

Und niemand macht mir die und die Suche nach ihr mies!

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