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Apr

Vom Ego, Karma und anderem Schnickschnack….

Dieses Wochenende war ich unterwegs mit…  ja, wie soll man sie nennen? Spirituellen Suchern? Hardcore-Esoterikern? Erleuchtung-light-Intendern? Heilpraktikern-and-more? Auf jeden Fall Menschen, die wissen oder meinen, dass es mehr gibt als das, was wir anpacken können.

Alles ganz wunderbar, solange sie dabei im Fluss bleiben. Was das heißen soll? Das heißt, dass alles, was ich täglich erlebe, in Einklang gebracht werden muss damit, was ich gelesen habe, über Erleuchtung, Karma, Ego. Wenn ich mir das spare, lande ich sehr schnell im, ich sach’ mal, „Phrasen-Bereich”. Und das sieht dann so aus:

 

Im Phrasenbereich

Das Ego: Im Grunde schnell erzählt: Alles, was unangenehm ist, ist dem Ego geschuldet! XY geht mir auf die Nerven? Das kommt weil er/sie/es ein Riesen-Ego hat! Was sonst. Ich fühle mich mulmig mit meiner eigenen Entscheidung? Ja, da bin ich wohl wieder meinen eigenen Ego-Resten aufgesessen! Politiker? Monströse Egos! Hinz, Kunz, Schnuckiputz, alles, was nicht passt: EGO!

Ich finde, das ist zu kurz gesprungen. Weil es nix erklärt. Weil es nicht hinter das Label schaut. Weil es sich nicht für Ursachen interessiert. Weil die Gründe wurscht sind. Und komplett unempathisch ist’s außerdem. Label drauf und fertig! Denn dieses Label interessiert sich nicht für den anderen: Das Ego-Label ist quasi ein „Vom-Leib-halten-Tool” und Totschlagargument für alle, die meinen, Denken schade der Gesundheit. Deine Beweggründe und deine Geschichte sind mir wurscht. Du hast dich unkorrekt verhalten, und fertich. Das aber ist zu wenig, Leute! Wenn mein Gegenüber sich so verhält, wie es sich verhält, hat es dafür seine Gründe. Das einzige, was mich zu interessieren hat (und zwar nicht wegen meiner spirituellen Karriereleiter, sondern ganz einfach für den Seelenfrieden), ist meine eigene Reaktion. Anhalten, Beobachten, Abwertungen (ob ausgesprochen oder nur gedacht) einfach mal weglassen. Ich hab auch schon erlebt, dass Leute ihre Verletzungen hinter einer Ego-Sprechblase versteckt haben. Das führt zu nix. Glaubt einer alten Frau. Ich weiß das aus Erfahrung.

 

Karma als Ausrede

Karma: Auch so eine Keule. Gern verwendet von Leuten, die’s nicht so mit der Verantwortung haben. Ich hab mich benommen wie die Axt im Walde und bin zu faul (o.k. es können auch andere Gründe sein), mal genauer nachzuschauen, warum? Das muss Karma sein! Ich hab eine Spur der Verwüstung hinter mir her gezogen, weil ich traumatisiert bin wie Hölle, also selbst ein Opfer? Alles ‚too hot’, das muss Karma sein, was denn sonst? Ich blicke nicht mehr durch (by the way: wer blickt schon durch?), muss aber unbedingt so tun, als ob ich’s noch täte? Kein Problem: ‚Karma’ erklärt alles. Ich weiß mir grad keinen Ausweg als mich beziehungstechnisch wie ein Schwein zu verhalten, ich kann grad nicht anders (wer kennt das nicht?), da hilft nur laut und deutlich ‚Das ist KARMA!’ zu trompeten, und schon bin ich nicht mehr ‚der/die Böse’, sondern jemand, der halt wirklich karmisch durchblickt. Kurz und klein: Was dem Normalo seine „schwere Kindheit“, ist dem, der in Spiritualität macht, sein „Karma“. Mein Verdacht (und bitte korrigiert mich, wenn ihr’s anders seht) ist: Diejenigen, die wirklich was vom Karma wissen, halten den Mund. Und die wie du und ich, die anderen – sollten einfach nochmal nachschauen, ob sie nicht irgendwelche treffenderen Beschreibungsformen dafür finden, was sie eigentlich erzählen möchten….

 

Lieblingsdiskriminierung “Opfer”

Opfer: Ja, und dann gibt’s da auch noch die Lieblingsdiskriminierung von… ja, wem eigentlich? Das müssen diejenigen sein, die so mit ihrem eigenen Schmerz zu tun haben, dass sie den Schmerz der anderen nicht auch noch aushalten können… Verständlich. Ich meine die Diskriminierung „Opfer”. Denn wenn du so ein „Opfer” bist, dann bist du damit quasi die faule Sau, die nicht an sich arbeitet, um aus ihrer infantilen Verletzungsrolle rauszukommen, der- oder diejenige, die in der Leidensschleife steckengeblieben ist, es sich in der Anklägerrolle gemütlich macht, alle Schuld den Eltern zuschiebt, weil er oder sie selbst nix gebacken kriegt…

Kurzum: Ein Opfer ist ein Opfer ist ein Opfer. Bloß: Wir alle sind das. Erstmal. Und diejenigen, die nun meinen, sie seien die besonders Braven/Mutigen/Schönen & Klugen, weil sie aus der Nummer – wie auch immer – raus sind, sind auf dem Holzweg. Denn es ist weder ihre Wahl noch ihr Verdienst. Es ist nicht immer alles jederzeit zu haben, sowohl bewusstseinsmäßig als auch schutztechnisch. Heißt: unsere psychischen Schutzmechanismen sind, Gott sei Dank, so stark, dass wir sie nicht jederzeit aushebeln können. Manchmal ist der psychische Shit-pot einfach zu groß und damit zu gefährlich, als dass wir ihn folgenlos jederzeit öffnen könnten. Und das ist gut so, und nicht doof, faul, dumm oder unbewusst.

Dosierung ist das Zauberwort. Die Natur ist schlauer, ganz ohne unser Zutun: sie mutet uns (meist) genau so viel zu, wie wir ertragen können. Es ist albern, schlauer sein zu wollen als die Natur, denn wir sind schließlich „nur” ein Teil von ihr. Alle Versuche, drüberstehen zu wollen, zu kontrollieren und zu managen, sind – und davon bin ich ganz fest überzeugt – nix weiter als der suboptimale Umgang mit der eigenen Hilflosigkeit.

 

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